Mach ein Backup, du wunderschöner Wanka
- Rogues & Scoundrels
- 17. Apr.
- 5 Min. Lesezeit

Späte Nacht-Gedanken mit Rogues and Scoundrels
Der erste Kaffee war zu schwach.
Der zweite – zu stark.
Der dritte? Kam nie an.
Er wurde geschleudert – volle Tasse, voller Schwung – quer über den Tisch, ausgelöst
durch Tastatur-Wut und einen Ellbogen mit eigenem Willen.
Er schlug auf dem Boden auf wie ein Kriegsschrei.
Keramik zersprang. Ideen folgten.
Irgendwo unter den Trümmern aus verschüttetem Koffein und existenzieller
Verzweiflung liegt ein Charakter-Monolog, von dem ich vor zehn Minuten noch
überzeugt war, dass er genial war.
Weg.
Vielleicht besser so.
Zu ehrlich. Zu offen. Zu… ich.
Jetzt blinkt der Cursor in einem Ton, den ich nur als spöttisch beschreiben kann.
Höhnisch.
Leer.
Und da sind wir wieder – zwischen Schlaf und Geschichtenerzählen.
Zwischen Zusammenbruch und Vielleicht.
Willkommen zurück.
Ich dachte, sie wären alle tot. Fertig.
All ihr Verlangen, ihr Ehrgeiz, ihr innerer Aufruhr – vorbei.
Nein, schlimmer noch: Sie haben nie wirklich existiert. Nur in mir.
Sie existierten einst – aber nur als Gedanken in einem Mann, der den Mut hatte, ihnen Raum zu geben…
Nein, nein, nein – jetzt wird wieder übertrieben.
Hand dramatisch an die Stirn, in der Ecke brütend, oh weh oh ach – das ist so nie passiert.
Zerplatzt. Tot. Weg.
Lähmung. Inneres Verhandeln mit Gott – wer auch immer gerade auf meiner Frequenz lauscht.
Hilfe! Bitte, ich tu alles –
Der Verstand rast, sucht nach einer Lösung, während er tiefer in die Leugnung sinkt, tiefer in den dunkler werdenden Abgrund.
Fallen, tiefer und tiefer in die Leere.
Tod. Hoffnung verloren. Geschichte vorbei.
Es ist fast peinlich, das laut zu sagen, jetzt, wo der Moment leise durch das Abflussrohr geglitten ist.
Weiches Wasser, das sich langsam im Grauen davonrollt. Sicher und innen – keine Gefahr, nass zu werden, durchnässt oder aufgeschwemmt.
Durchnässt?
Es war ein Tsunami.
Einer 15 Meter hohen Wasserwand ins Gesicht starrend – in absolutem Unglauben.
Das Herz schlug so heftig, dass es meine Augäpfel mit jedem Takt zum Platzen brachte – vibrierende Wobble-Säcke, von denen mein Subwoofer nur träumen kann.
Unglaube und Trauer.
Zwei Idioten, die immer zu spät zur Party kommen, direkt nach dem alten Bekannten „Schock“ – und die können sich gepflegt verpissen.
Meine Freude. Meine Leidenschaft. Meine Geschichte. Meine Leute.
Weg.
Ohne Abschied.
Kein Verbrechen.
Einfach... weg. Gelöscht.
Mein Drehbuch – The Weaver – sechs Episoden, allein geschrieben über exakt ein Jahr, noch ein Drittel bis zur ersten vollständigen Fassung...
Einfach nicht mehr da. Nirgendwo.
Auf meinem Desktop.
In einem Ordner.
Auf meiner Festplatte.
In der verdammten Cloud.
Einfach verschwunden.
Und ich habe geweint.
Nicht sofort.
Nein – ich schrie, ich feilschte, ich leugnete.
Dann heulte ich.
Ich klagte. Wirklich.
Ich ließ meinen Körper in einem Haufen auf dem Boden zusammenbrechen – etwas Heiliges war gestohlen worden.
Trauer und Verlust fraßen sich durch mich – nicht nur wegen des Verlusts meiner
Freunde im Nichts, sondern wegen etwas Tieferem, etwas Undefinierbarem: Meiner Identität.
Da wurde mir klar – selbst in diesem großen, wirbelnden, chaotischen Raum, den wir
Denken nennen – dass meine Geschichte, meine Figuren, ein riesiger Teil von mir sind.
Nicht nur erschaffene Charaktere.
Sondern wie ich mich selbst sehe.
Wie ich die Welt betrachte.
Wie ich versuche, all die Versionen von mir zu verstehen.
Ich glaube, die meisten Autor*innen hören ihre Stimmen tief aus dem Inneren.
Sie lassen sich nicht zum Schweigen bringen.
Sie bleiben – manchmal jahrzehntelang – bis du ihnen endlich zuhörst.
Und ihre Geschichte war so ein Moment.
Sie war so lange bei mir – bis ich endlich ihren ständigen Bitten nachgab.
Sie atmete.
Und jetzt war sie weg.
Das ist doch der Grund, warum wir lesen, oder?
Warum wir Filme schauen.
Um zu fühlen.
Um Empathie zu entwickeln – für Perspektiven, die nicht unsere eigenen sind.
Um Bedeutung zu schaffen.
Um zu verstehen...
Jetzt sei nicht albern.
Hör auf damit.
Schreib’s einfach neu.
Ich kann nicht.
Ich würde nur einer Erinnerung nachjagen – nicht ihren echten Gefühlen.
Ihr Verständnis ist eingefroren in der Zeit.
Ihre Worte hätten weniger Gewicht. Weniger Wahrheit.
Oh bitte. Hör dich reden.„
Das Maß der Authentizität.“
Schwachkopf.
Es gibt wichtigere Probleme als das hier.
Als dich.
Als diese Geschichte.
Als diese Figuren...
Ach. Und da ist es.
Wer sind wir, dass wir Trauer anderer bewerten?
Ein geliebtes Haustier, ein enger Freund…
Oder Figuren, die du geliebt, mit denen du gelacht, für die du geweint hast.
Wer, fragst du?
Du.
Ich.
Wir verurteilen uns selbst. Viel zu hart.
Wir sind alle nur kurz hier.
Unsere Gedanken, unsere Gefühle – unsere Trauer – wollen gefühlt werden. Nicht bewertet.
Und jede*r, der oder die schon länger mit einer Figur lebt,
Ihre Mimik beschreibt,
Hintergründe erfindet,
Motivationen austariert,
Ihre Gedanken mitten in der Szene auftauchen sieht – weiß:
Diese Intimität ist geteilt. Eine Zwei-Wege-Straße.
Sie fordern dich.
Verführen dich.
Locken dich.
Und wir – als Schreibende – antworten. Romantisieren. Dramatisieren.
Wir sehen ihr rotes Haar im Wind.
Locken auf einer nackten Schulter.
Sein Grübchen, das sich vertieft, wenn er schmunzelt – selbstsicher, doch in den Augen ein verletztes Herz.
Sein ständiger Wunsch nach Bestätigung.
Sein verräterisches kleines Lächeln, wenn er in sie verliebt ist.
Die gekränkte Ambition des Rivalen.
Der Atem des alten Mannes – nach Alkohol stinkend.
Ihr Augenzwinkern.
Die Art, wie sie reitet.
Die Pusteblumen.
Das hohe Gras.
Das Lachen. Der Schrecken.
Das Verschwinden.
Die Leere.
Die Abwesenheit.
Trauer belagert.
Die Wiederherstellungs-Software?
Nein!
Ich kann meine Verzweiflung nicht loslassen.
Mein Unglaube und mein fortgesetzter Pessimismus bleiben wachsam.
Soldaten! Bewacht das Heiligtum!
Hoffnung darf hier nicht wohnen!
Aber… vielleicht?
Bitte?
Acht Stunden und ein paar dicke Scheine später...
Die Rückkehr.
Nicht ganz vollständig – aber ich nehme, was ich kriegen kann.
Sie leben wieder.
Die zarten Momente.
Die brutalen und die witzigen.
Nicht neu erfunden.
Nicht neu geschrieben.
Nicht neu verpackt.
Keine Re-s.
Husch, weg mit euch!
Und doch – kann ich alles zurückhaben?
Und dann, ein letzter Gedanke...
Erfolg. Jubel. Die Auferstehung.
Leben.
Sie leben.
Die ganze Welt kehrte zurück.
So schrecklich es war – es lehrte mich etwas:
Das Leben eines Projekts, unserer Kreationen, geht nicht nur um das Endergebnis.
Nicht immer um das fertige Produkt.
Oder die Option, es zu verkaufen, zu produzieren.
Manchmal ist es nur für dich.
Damit du weißt, dass diese Figuren immer leben werden.
Ihre Geschichte bleibt.
Ihre Worte entstanden in einem Moment – aus einem Grund.
Ich glaube fest daran, dass mehr von uns schreiben sollten.
Tagebuch. Blog. Roman. Drehbuch.
Mach Sinn aus deiner Zeit hier.
Hinterlasse uns etwas zum Nachdenken – eine neue Perspektive, eine andere Sichtweise.
Oder einen Faden, der so menschlich ist, dass wir uns alle darin wiederfinden.
Ich habe das Leben oft als eine Reihe von Funken gesehen –Unterschiedliche Farben, die von einem gemeinsamen Draht aus schießen.
Weitergereicht an den Nächsten.
Brennend. Fortgesetzt.
Verlöschend...
Bis der Nächste aufflammt.
Brennt.
Springt.
Aber nur, wenn du ein Backup machst.
Mach ein verdammtes Backup –
An einem Ort, der nicht dort ist, wo es gerade liegt.
#relumetheweaver#roguesandscoundrels
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